
Realität entsteht im Kopf
Das ist wohl die wichtigste Lektion, die ich jetzt nicht nur begriffen habe (das schon länger), sondern auch wirklich lebe. Nichts ist so wichtig wie die Einstellung, mit der ich durch meine Tage und Nächte gehe. Das gilt grundsätzlich, mit Kind aber noch mal mehr. Ich habe den Artikel hier zigmal angefangen, an ganz unterschiedlichen Tagen. Ein euphorischer war dabei, ein niedergeschlagener, einige gute und ein paar weniger Tage. Alle Standpunkte sind wahr und real, aber ich entscheide, was ich teilen will, denn es erschafft meine Realität mit. Gerade in Instagrams polierten Momentaufnahmen wirkt schnell alles schöner als es im Tagesmittel tatsächlich ist, aber ich halte mir zu Gute, dass meine Texte immer authentisch sind und ich auch bei den Fotos keine Plastikwelt entwerfe, aber doch ja, ich lächle lieber auf Fotos. Bildmaterial zu völlig fertigen Tagen banne ich nicht für die Ewigkeit. Aber ehrlich darf und soll es weiter sein. Ich bin der Typ Mensch, der davon profitiert, wenn er weiß, was auf ihn zukommen kann, auch wenn es dann vielleicht nicht oder doch anders passiert. Deshalb teile ich auch hier das, was mich und euch weiterbringt: Ein Sandwich aus positiven Entwicklungen, realistischen auch härteren Alltagskämpfen und positiven Ausblicken.
Merle ist jetzt ein Babykind
Das ist eine Wortschöpfung von mir, um diesen Übergang zwischen Baby und Kleinkind zu greifen. Natürlich ist sie ein Baby, aber ich nutze den Begriff als Abgrenzung zum Neugeborenen und dem Baby, das sie noch bis vor ein paar Wochen war. Von der absoluten Abhängigkeit und gummihaften Körperlichkeit eines Neugeborenen ist nichts mehr übrig. Merle ist fest und stark und wild und weiß ziemlich genau, was sie will (wusste sie immer schon, wird nur jetzt noch deutlicher). Mit einem Baby, das anfängt mobil zu werden (sie robbt und krabbelt noch nicht, aber schiebt sich im Kreis, rückwärts und rollt schon zeimlich schnell und weit seitlich), das drei, ich korrigere: vier! Mahlzeiten Beikost am Tag futtert, mit Hilfe ziemlich sauber aus einem normalen Becher trinken kann, hat sie schon viel Kleinkindhaftes an sich. Auf der anderen Seite stillen wir immer noch oft (EDIT, ich sate ich, ich schreibe hier an mehrern Tagen: also auch das Stillen hat sie in den letzten Tag DEUTLICH! reduziert) und sie braucht weite Strecken an Getragenwerden, um einschlafen zu können. Beim Tragen kein Editieren, das genießt sie sichtlich und fordert es auch ein. Das ist das sehr Babytypische. Aber auch das hat sich deutlich verschoben und ist genau jetzt, da ich diesen Artikel schreibe eben sehr im Umbruch hin zu derzeit bedeutend ruhigerem Schalf und so viel weniger Stillen, dass ich Milchmaschine hier manchmal sehr sehnsüchtig darauf warte, dass sie wieder was will, weil ich mit schmerzendem Atombusen rumlaufe. Was das Stillen angeht, hat sie etwas Wunderbares gelernt, wie eine Freundin so schön zusammenfasste: Sie weiß jetzt, dass ich und die Milch immer da sind, wenn sie sie braucht. Deshalb ist Futtern jetzt in der Priorität auf Platz zwei gerutscht. Platz eins ist nun dem Weltentdecken vorbehalten. Sie vergisst das Stillen tagsüber nun öfter, bis sie dann sehr hungrig/durstig ist und dann ist auch ziemlich Alarm. Aber vorher anlegen bringt nichts, da wird nur rumgeguckt und Merle macht dann sehr deutlich, dass das jetzt nicht das ist, was sie will. Nun, wie meine Freundin eben meinte: Sie kann es sich leisten. Den Entwicklungsschritt machen die meisten Babys in diesem Alter, aber es ist eben einer, der an Vertrauen gekoppelt ist und ich freue mich sehr, dass sie das aufbauen konnte, als Grundlage. Für noch sehr viel mehr als nur „Spielen ist wichtiger als Milch, Mama, pack die Dinger ein und zeig mir die Welt!“
Größter Fortschritt ist sicherlich, dass das abendliche Schreien, das noch bei 3 Monaten im Abklingen begriffen und noch nicht ausgestanden war, mittlerweile wirklich zur Geschichte gehört. Aus vielen Stunden schlimmem Gebrüll sind wenige Minuten „Oh Hilfe, ich bin so müde, dass ich vergessen habe, wie man einschläft!“ geworden. Benedict und ich flüstern öfter, wenn Merle grad in der Trage eingeschlafen ist: „Hörst du die Stille?“ Es ist wundervoll.
Alles in allem wird uns immer wieder von allen Seiten (Kinderärztin, andere Mütter, Rückbildungskurs) bestätigt, dass wir hier ein sehr aufgewecktes, aktives Kind haben. Die Begriffe „Rakete“ oder „Granate“ fielen noch öfter. Und wie die Kinderärztin so schön sagte: „Durchhalten, weitermachen. Das zahlt sich im nächsten halben Jahr alles aus.“ Ich sage, das tut es schon. Die Feuerprobe des ersten halben Jahres ist wirklich überstanden. Denn: Hört ihr die Stille? Tatsächlich editiere ich hier das letzte Mal währned Merles Vormittagsschläfchen. Was bedeutet, dass ich sie ablegen konnte und nach einer Weile auch das Bett verlassen durfte. Das geht erst seit knapp einer Woche also mit +6 Monaten. Jubel!

Aufstehen, Krone richten, weitermachen.
Aber oh ja, war bis vor sehr Kurzem war der Weg vom letzten Update (§ Moante altes Baby) bis hier hinmmer noch knüppeldick und es gab viel Tage, Nächte oder auch einfach Extremsituationen, in denen haben wir (Benedict und ich) uns gefragt (und tun es noch ab und zu), ob wir noch alle Latten am Zaun hatten, uns ein Kind zu wünschen. Aber das Schöne dabei ist, mit der Übung von einem halben Jahr können wir mehr darüber lachen. Und schneller wieder darüber lachen. Auch nach Tagen, an denen sich alles nach Erschöpfung und Heulen anfühlt. So wie letztens, mit diesem Abend echt zum Abgewöhnen mit 5 Stunden Schlepperei, immer wieder ablegen und glauben, dass es geschafft ist und zack wach, Rabääääh! Und noch mal… Trotzdem waren wir morgens wieder gut drauf.
„Erschöpfung, Müdigkeit, blanke Nerven“, das wusste ich vor Merle auch, dass damit Eltern ihren Alltag beschreiben. Eine echte Vorstellung hatte ich so unkonkret aber nicht davon, was das wirklich bedeutete. Deshalb mal hier Butter bei die Fische, was es konkret ist, was einfach echt schlaucht und eine Höchstmaß an Geduld und Selbstdisziplin (und Selbstnachsicht) von uns Eltern verlangt. Ich habe auch überlegt, ob ich das schreiben mag, denn, erster Absatz: Was ich teile erschafft meine Realität mit. Und ich habe mit vielen Mais darüber gesprochen, dass sie sich sehr bemühen, so positiv wie möglich von ihren Babys zu sprechen. Nicht, um sich und andere zu veräppeln, sondern, weil es sich dem Kind gegenüber nicht fair anfühlt, auf den Anstrengungen rumzureiten. Ich mag Merle nicht als „schwierig“ labeln. Das passiert aber rasch, wenn man ehrlich den Alltag beschreibt. Deshalb betone ich hier noch mal direkt. Es wird immer besser und immer schöner. Und oh ja, es ist es sowas von wert. Also, trotzdem einmal ein Blick auf die dunkle Seite des Babyalltags.
Ich sagte schon, Merle muss viel getragen werden, damit sie zur Ruhe kommt. Das sind pro Woche bei mir etwa 50-60km mit meinem 9kg Brocken an mir dran und das ist durchaus noch steigerungsfähig. Wir sind Vielschlepper, aber ganz klar hier noch nicht extrem, das nur zur Einordnung. Mir ist es extrem genug. Manche Tage liegen dabei bei über 10km, die Hälfte davon entfällt meist auf die Abendstunden und spielt sich somit in drei Räumen zur Reizabschirmung mit gedämpftem Licht und großem Schal ums Kind herum ab. Dabei muss (musste! Verbesserung!) ich oft nicht nur wandern, sondern hopserlaufen. Ausfallschritte sind auch sehr begehrt aktuell und bitte dabei singen. Positiv: Das wüste Geschrei dabei haben wir seit ein paar Wochen hinter uns, beziehungsweise ist es wie erwähnt selter und bedeutend !!! kürzer. Da Merle wenn sie müde ist, nur mich akzeptiert (da kann der Mann noch so liebevoll, bemüht und emanzipiert sein, müde wird er mit Zeter und Mordio in Grund und Boden gebrüllt), sind das alles ausschließlich meine Bonusmeilen. Das geht stark in Rücken und Füße ist also zusätzlich zur mentalen Herausforderung schlicht eine körperliche. Für mich ist eine der größten Herausforderung dabei auch die, dass ich sauer auf Benedict werde, weil ich es (wenn ich dann ebenfalls müde und bedient von einem ganzen Tag Babybespaßung bin) unfair finde, dass alles an mir hängt. Ist er ohnehin tags arbeiten und ich allein mit Merle, schaffe ich die Tragemeilen recht leicht. Ist er aber daheim und kann nicht helfen, sitzt somit auf der Couch und versucht möglichst wenig zu stören, bin ich neidisch auf seine in meinen Augen Freizeit und muss mich sehr diziplinieren, dann nichz grantig zu werden. Das ist tatsächlich für mich schwerer runterzuschlucken, als weiter liebevoll und geduldig auf Merle einzugehen. Selbsterklärend müssen wir als Paar diese Situationen gut reflektieren, um nicht einen längeren Groll aufzubauen als den in der konkreten Belastungssituation. Auch hier: Hat sich bedeutend gebessert, zumal seit Merle von sich aus nun zwischen 19 und 21 Uhr in den Nachtschlaf geht und nicht mehr rund um 22 Uhr erst. Ja müder die Mama, desto dünner die Nerven, es ist eine sehr einfache Gleichung.

Bis vor wenigen Tagen musste ich immer neben Merle liegen bleiben, wenn ich es geschafft hatte sie zum Schlafen abzulegen (oder sie in der Trage schlafen lassen). Meist mit kleiner Akrobatik: Kind so ruhig wie möglich aus der Trage schälen, ablegen, dann so schnell und leise wie möglich dabei aus der Trage selbst raus, Brust freilegen und quasi Nippel voran ins Kind springen, damit es weiter schläft. Kann man sich vorstellen, dass das nichts ist, was woanders funktioniert als daheim. Seit wenigen Tagen lockert sich das etwas. Ich kann – so wie jetzt – manchmal aufstehen und sie schläft noch etwas allein. Oh mein Gott, echte Ich-Zeit! Die hatte ich ein halbes Jahr lang nicht.
Ich sprach schon von Überreizung. Ebenfalls häufig bei Babys und sehr nachvollziehbar finde ich. Ist ja alles neu. Überreizung bedeutet hier, dass Merle in der Situation total aufmerksam ist und strahlend süß. Danach aber, wenn es dann um Stillen und Schlafen geht, dann ist sie durch. Das macht viele Extratragekilometer, abgedunkelte Räume am Tag, Singen in Endlosschleife, sich in die Brüste beißen lassen und einen insgesamt total zerschossenen Tag-Nacht-Rhythmus. Wenn nichts mehr geht, muss ich durch die Nachbarschaft hopserlaufen, Schneeflöckchen Weißröckchen schmettern und dann in der Trage stillen. Das war bei Minus 10 Grad nicht so genial. Jetzt frühlingshafter wird vieles leichter, somit auch das. Einfach auch weil ich das unleidliche, übermüdete Baby dann nicht erst noch in Jacken und Stulpen und Tragecover wursteln muss, bevor wir raus können. Auch deshalb so viel Meilen in der Wohnung. Aber auch hier: Besserung seit grob einer Woche. Immer noch ein Eiertanz ihre Überdrehtheit dann abzufangen, aber nun etwas, was machbar ist und nichts mehr, wovon ich sage: Ganz ehrlich, wenn ich eine Stunde Extraaktivität mit einem kompletten nöligen Schlepptag bezahlen muss, dann lasse ich es ganz. Ich „bezahle“ nun aber gar nicht mehr. Ich lege nur aus. Das grelle Baby braucht dann mehr Hingabe beim Beruhigen, pennt danach aber dann um so besser. Müde gespielt. Etwas, wovon ich immer nur gelesen hatte und es für merle und mich als Witz empfunden hatte. Jetzt ist es da. So langsam habe ich begriffen, dass meine mir so verhassten Durchhalteparolen ohne echte Problemlösung nur mit „Weitermachen, das wird schon!“, genau das sind, was den Babyalltag am Laufen und mich als Mama im Kopf bei Verstand bleiben lässt.
Bis vor wenigen Wochen mussten wir immer noch 1-2x nachts wickeln. An nächtliches Stillen habe ich mich gewöhnt, dabei kann ich liegenbleiben, bzw. muss nur kurz umlagern und gut ist es. Diese Aussage wäre vor ein paar Monaten auch noch undenkbar gewesen, aber oh ja, man gewöhnt sich daran, zumal seit Stillen nicht mehr schmerzhaft ist und sich Merles und mein Schalfrhythmus angeglichen hat. Ich werde meist ein paar Minuten vor ihr wach, dann fängt sie an zu ächzen und zu suchen. Umlagern, anlegen, weiterschlafen. Stillen ist Routine, also einfach echt Übung. Das Durchhalten und Weitermachen hat sich da sehr gelohnt. Ich wiederhole hier gern noch mal die drei Ps aus dem Englischen bezüglich Stillen:
Practice, Patience, Perseverence (Übung, Geduld und Durchhaltevermögen).
Aber wickeln ist echt ätzend. Dafür muss ich meine Systeme einmal komplett hochfahren und wenn wir Pech haben, ist auch Merle dann ganz wach und hampelt ein bis zwei Stunden rum. Auch das wird jetzt endlich besser. Zum Einen, weil sie nachts nicht mehr ganz so viel stillt, zum Anderen weil sie jetzt eine Pullerwindel an sich akzeptiert. Es tut mir ja irgendwie Leid sie darin liegen zu lassen, zumal sie das ja monatelang beschrien hat wie nur was, dass sie das furchtbar findet. Aber da sie das jetzt nicht mehr tut, nun, dann lasse ich sie eben. Schlaf ist wichtiger. So einfach ist das gerade. Das ganze Windelfreithema (bzw. windelwenig) ist tags schon aufwändig genug und mache ich nur, weil für uns ganz klar die Vorteile überwiegen: zufriedeneres Baby, weniger bzw. gar nicht mehr wund. Nachts klappt das aber prima mit Windel dranlassen. So viel zum Thema here Ansprüche und Realitätsabgleich.
Sonst sind es noch Kleinigkeiten. Generell ist Merle sehr aktiv, damit sehr wehrig und durchsätzig. Eigentlich gute Eigenschaften und die werden immer besser, je älter und vertständiger sie wird, also will ich ihr da auch nichts aberziehen. Aber jetzt als Strampelbaby ist das ganz schön anstrengend, wenn man sie tragen, füttern oder wickeln will oder muss. Sie ist sehr intensiv, sodass wir ohne Witz den Notarzt gerufen haben, als sie ihren ersten Schnupfen hatte und nicht durch die Nase atmen konnte. Sie hat in Todesangst geschrien, das hatten wir noch nicht erlebt. Wir waren vollkommen fertig, als sie sich nach 45min etwa beruhigt hatte. Aber wir haben wirklich geglaubt, dass da noch was Schlimmeres sein muss als nur das verstopfte Näschen. Und wie ich schon erwähnte, sind wir von ihr einen ziemlichen Schreipegel gewohnt, weil sie einfach immer sehr deutlich macht, wenn sie etwas braucht. Sie sorgt gut für sich, steht sehr für sich ein und lässt sich nicht von ihrem Thema abbringen. Immer schon. Aber das, das hat alles getoppt. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass das noch steigerungsfähig gewesen wäre. Nun ja. nachvollziehbar eigentlich. Nicht atmen können ist ja schon eine Grenzerfahrung. Wir richten uns also darauf ein, dass hier bald öfter die Welt untergehen wird, wenn Baby krabbelt. Sie wird sich ab und an irgendwo anhauen. Und vermutlich mit etwas mehr Wums dahinter, als viele andere Babys. Weil sie in allem mehr Wums hat. Selbst der Kinderärztin ist sie fast vom Arm gesprungen. Ich sagte ja. Rakete. Ihre erste Beule hat sie sich auch schon geholt. Apokalypse. Zum Glück war ich direkt dabei und konnte einschätzen, dass da mehr Schreck im Schrei war als echte Not. Nur vom Gebrüll her, hätte man sie wieder direkt mit Rettungswagen holen lassen können.

Zu ihrer Energie und Intensität zählt, dass sie absolut dauerpräsent ist. Das klingt böser, als ich es meine. Denn natürlich darf und soll sie das sein. Aber – und auch das ändert sich gerade in den Tagen, da ich hier texte, seit wenigen Tagen spielt Merle auch mal für sich allein und das mit höchster Konzentraton, es ist zuckersüß! – wenn man (also ich) vom Aufwachen bis zum Einschlafen permanent beschallt und bestrampelt wird (sie wird wie gesagt erst jetzt sanfter bzw. differenzierter in Tönen und Bewegungen, sodass da nicht immer die vollen 100% gegeben werden), dann will ich abends einfach nicht mehr reden nicht mehr angefasst werden und am liebsten einen kleinem Deprivationstank nur für mich. Das ist ein Punkt, der sehr deutlich macht, dass es eine Wucht ist ein Baby und auch noch später ein Kind allein großzuziehen. Was auch bei der Aufgabenteilung einer daheim, einer arbeiten ziemlich der Fall ist. Meine Mama war ja schön ein paar Mal für mehrere Tage zu Besuch und das hat die Situation ungemein entspannt. Einfach mal 5 Minuten nicht befummelt werden, das ist schon so gut.
Ein großer Punkt ist die noch sehr rare Ich-Zeit und ebenfalls rare Pärchenzeit. Teils nicht vorhanden. Das ist etwas, was die meiste Geduld erfordert. Darauf zu warten, wieder mehr man selbst sein zu können. Nach wie vor ist es für mich nicht möglich länger als 1h weg zu sein und das auch nur mit perfektem Timing, will heißen bisher habe ich das so einmal im Momant vielleicht tatsächlich umsetzen können. Nee, stimmt nicht. Weniger. Viermal waren die Umstände bisher günstig genug. Aber wieder: Harch, es bessert sich gerade soooo sehr! Ich feiere innerlich schon total. Jetzt kommt der Monat Elternzeit bei Benedict und ich will und werde mal etwas allein unternehmen. Harch!
Meine Leidenschaften brauchen fast alle den Computer und das ist das Werkzeug, das ich derzeit am schlechtesten nutzen kann. Manchmal mag ich fast weinen, denn meine Schreiberei zurückzustellen, gleicht einer Amputation für mich. Der letzte Blogartikel ist einen Monat her… Meine übrige Schreiberei liegt schon so mlange auf Eis, dass sie bald Gefrierbrand hat…) Ich arbeite also mit Baby also von ihrem morgendlichen Aufwachen bis zu ihrem spätabendlichen Einschlafen durch. Blog und andere eigene Themen werden in Mikrozeitfenster gequetscht. Oder eben jetzt endlich ENDLICH morgens gemacht (oder auch wieder nicht…). Ich frage mich tatsächlich öfter, wie es sein konnte, dass ich vor Merle oft das Gefühl hatte, keine Zeit zu haben. Ich habe mal grob überschlagen, wieviel Zeit ich pro Tag oder Woche für Merle aufwende und komme dabei auf etwa 12-14 Stunden in 24 Stunden. Ich habe also eine 84- bis 98-Stunden-Woche. Und an dieser Stelle sei das gesagt, was ich ständig denke:
Meinen allergrößten Respekt an alle Alleinerziehenden zumal Alleinerziehende von mehreren Kindern.
Ich sage schon: Ein Baby zu haben, ist der krasseste Job, den ich je hatte. Wie muss das dann sein, wenn man den wirklich allein stemmen muss? Ich habe sowieso mittlerweile vor eigentlich allen Müttern einen Heidenrespekt. Vor Vätern auch, Müttern aber mehr, der körperliche Aspekt ist einfach eine andere Hausnummer. Wie oft habe ich in letzter Zeit zu meinen Mamafreundinnen gesagt: „Boah, das sind genau die Sätze, die ich vor Merle auch gesagt habe! Ich hatte ja so keine Ahnung. Ich müsste mich da eigentlich bei anderen Müttern für entschuldigen, dass ich da so gedacht habe.“ Denn gesagt habe ich es nicht, einfach weil ich in meinem engeren Umfeld die erste Mama bin. Im weiteren Dunstkreis (alte Schulfreundinnen, Freunde von Freunden, bedeutend ältere Verwandte/Bekannte) gibt es Mütter, aber eben nicht direkt bei mir.

Hinterher ist man immer schlauer
Ich kann mir somit ein paar meiner Aussagen aus „Wie stellst du dir ein Leben mit Kind vor?“, die ich somit in die Welt hinaus geschrien habe, verzeihen. Ich wusste es nicht besser und selbst mit mehr Müttern näher an mir dran war ich einfach eben selbst noch nicht in der Situation.
Könnt ihr mir auch verzeihen? Wenn nicht, ist das auch okay.
Ich verstehe jetzt, dass manches ein Schlag ins Gesicht von Schon-Müttern war, ich habe mir mittlerweile auch schon einige Schwinger eingefangen, wenngleich alle als Unfälle zu verbuchen sind, denn es war nie böse Absicht dahinter (Familie, Freunde, auch Kinderärztin, also einmal durch die Bank all jene, die mir wirklich wohlgesonnen sind) und ich weiß, ich habe bei besten Absichten auch nicht immer den angemessenen Ton in den Antworten gefunden. Nach wie vor vertrete ich den Standpunkt, dass Selbstfürsorge an oberster Stelle direkt nach Versorgung des Babys stehen muss (denn das Baby trägt bedeutend größere Schäden davon, wenn man seine Bedürfnisse aufschiebt, als wenn man das mit den eigenen tut. Erwachsene haben bedeutend größere Puffer), denn
„You can’t pour from an empty glass.“
Das bedeutet, dass ich nach wie vor gesundes Essen, Ruhe wann immer möglich und einen gesund durchbewegten Körper weit vor allem anderen priorisiere. Dass mir das so relativ gut gelingt (glaubt mir: nicht immer, aber vermutlich doch besser als plump gesagt „den meisten“), liegt wohl zu einem großen Teil daran, dass ich mit Ernährung und Sport eine jahrelange bzw. jahrzehntelange Übung habe. Disziplin ist dadurch schon zur blanken Gewohnheit geworden, was bedeutend einfacher ist, als sich eben immer wieder selbst ermahnen zu müssen. Wer das nicht hat, dem glaube ich SOFORT, dass es eine Mammutaufgabe ist neben der Babyversorgung auch noch daran zu denken sich täglich zu stretchen und den Apfel und die Kohlrabi zuerst zu essen und erst dann die Energiebällchen – und das echte Junkfood vielleicht sogar ganz auszuklammern. Je stressiger die Tage, desto verlockender die Süßigkeitenschublade und die Chipstüte. Geht mir nicht anders. Meine Schwelle ist vermutlich nur durch besagte Übung eine andere. In diesem Sinne kurz daran erinnert, dass jede gesunde Gewohnheit eine gute ist. In Stresssituationen zahlen sie sich doppelt und dreifach aus. Sie in Stresssitiuationen zu erlernen und zu verinnerlichen, das ist Königsdisziplin und wer das schafft, vor dem ziehe ich in ehrlich tiefer Verbeugung den Hut.
Und, tja, der Standardspruch, den ich früher ebenfalls immer als Art Ausrede von Müttern empfunden habe, wenn sie argumentativ nicht gegen für mein Empfinden (!) überlegene Logik von „Das muss doch auch anders gehen!“ ankamen: „Jedes Kind ist anders!“ Ohhhhh ja. Für mich ist es möglich gut zu essen und mich zu bewegen, weil Merle da gut integrierbar ist. Wie ihr seht, ist Rechnerarbeit für mich so gut wie raus, obwohl ich da nicht nur Routine, Gewohnheit und echte Leidenschaft für hege. Ich habe ein Baby, das mir gern beim Duschen zuguckt, also dusche ich. Es gibt genug andere Kinder, die das gruselig finden, wenn Mama hinter dem dampfig nassen Glas verschwindet und dann so anders klingt. Tja. Dann duscht man nicht. Oder erst wenn der Partner da ist. Wenn dann nicht schon wieder andere Themen wichtiger sind. Denn Einschalftragen geht natürlich unter der Dusche auch nicht, wenn Baby grad nur Mama nimmt. Korrekterweise müsste der Artikel hier also heißen: „Wie ist das Leben mit DIESEM 6 Monate altem Baby?“ Denn auch wenn ich denke, dass mein Einblick hier gut deutlich machen kann, wie es sein KANN, so bleibt er doch hochindividuell.

Babyromantik
Bevor wir damit zum nächsten Punkt kommen, sei gesagt, dass mich das sehr viel darüber nachdenken lässt, welches Bild von Familie und besonders Babys und Müttern gesellschaftlich etabliert ist und weiter wird. Das Bild vom sanft schlummernden Säugling, in strahlend weißer gegenlichtdurchfluteter Wohnung, die Mama um die 30 (sie dabei aber viel jünger aussieht und die dieses Alter auf solchen Fotos halten wird, selbst wenn Kinder daneben schon fast pubertär abgebildet werden) ungeschminkt mit duftig locker zurück genommenem Haar ein in Sanftmut erstrahlender Engel… Das ist das eine. Was ich als Kitschkunst ab und zu als Fotos gern anschaue, für die Überzeichnung des warmen Gefühls von unglaublicher Liebe zum Kind. Ich mag solche Fotos. Ich mache selbst gern so welche. Warum mache ich das? Weil ich mein Leben lang darauf gepolt wurde, das schön zu finden…? Weil es einem Wunschbild entspricht. Ist mir als Grafikerin ja nicht fremd, es ist das Grundprinzip der Werbung. Weil es (grooooßer Bogen zurück zum Anfang) auch dem Wunsch entspricht eine so schöne Realität zu erschaffen. Allerdings ist es doch eher eine Scheinwelt beziehungsweise ein wundervoller Moment in einem großen wurschtelgeduttetem Wäschebergleben mit schon wieder mehr Wollmäusen in den Ecken als verzehrfertigem Essen im Kühlschrank. Meine von mir so bewunderte Mimi Ikonn hat jetzt erst gepostet, dass sie mehr reale Fotos instagramen mag. Auch ihre realen Bilder sind toll. Aber echter. Ich glaube, ich mag mitmachen. Ich mag beides. Die Schönheit inszenierter Momente und den warmen kleinen Zauber der Wirklichkeit dazwischen.

Wir schweifen ab. Es geht mir auch darum, dass ich zwar schon zigmal gehört und gelesen habe, dass die Arbeit, die Eltern (und meistens sind es immer noch die Mütter) mit ihren Kindern leisten – was in der Regel auch den Haushalt mit einschließt – gesellschaftlich wenig Anerkennung erfährt. Nicht, dass man für Hausarbeit und Kindererziehung abgewertet werden würde (zumindest habe ich das überhaupt nicht so erlebt), aber ich empfinde aus mir selbst heraus diesen Druck doch bitte alles schaffen und alles sein zu können (und das ist es so gut wie nie, das Aus-einem-selbst kommt eigentlich immer irgendwo her). Dass ein Baby, ein Kind, ein Extra ist, das einfach dazu kommt. Die anderen Rollen, die Frau heute spielen soll, kann, vermeintlich muss oder sogar gern auch will, die bleiben aber. Mir fällt es enorm schwer mich damit zu arrangieren, dass ich bei meiner 84-Stunden-Woche!!! natürlich nicht mehr auch noch sexy Ehefrau, beste Freundin von Welt, durchorganisierte Hausfrau und ambitionierte Akademikerin bin, die sich darauf freut wieder am Arbeitsalltag teilzuhaben, weil ihre Ausbildung ja doch sonst für die Katz war. Ich für mich spüre, dass ich diese Ansprüche an mich stellen mag und es ist eine der größeren täglichen Aufgaben, mich davon frei zu machen und zwar alles davon immer noch zu sein, aber selbsterklärend (84-Stunden-Woche!!!) in bedeutend geringerem Umfang als zuvor und vor allem nicht alles gleichzeitig. Freizeit ist für mich ja auch keine Ich-Zeit derzeit sondern einfach Zeit, in der Baby schläft und ich daneben liege, wie soll ich da noch was anderes sein, außer vielleicht per WhatsApp oder Instagram? Ohne Witz, ohne diese sozialen Medien hätte ich glaube ich hier nervlich schon öfter am Boden gelegen im absoluten Lagerkoller. Da kann ich noch so diszipliniert, organisiert und schnell sein, 84 Stunden sind 84 Stunden. Da kann ich noch so sehr wünschen (und das tue ich) „Aber das Kind kommt doch in MEIN Leben…!“ Siehe unten…
Dass ich das als bedrückend empfinde, hat also viel damit zu tun, was medial-gesellschaftlich als Ideal oder auch nur als machbar (denn backen wir erst mal kleine Brötchen) dargestellt wird. Direkt aus dem Umfeld kommt nur sehr selten ein Druck in diese Richtung und wenn er kommt, dann auch ziemlich eindeutig als zweiter Dominostein, der da gefallen ist, ist es doch auch wieder dieses Ideal, dieser Anspruch an Machbarkeit, der da auf den Kommentator einwirkt. Beziehungsweise auch das: Oft sind es wirklich, wirklich die aller besten Wünsche, die den dummen Spruch von Ratschlägen, die auch Schläge sind, wieder nach oben kramen. Und eigentlich will ich auf die Ratschläge auch nicht verzichten, denn nicht alle sind dabei Schläge, tatsächlich die wenigtens. Mir begegnet so viel Hilfsbereitschaft und Verständnis und ich habe schon wirklich so gute Tipps bekommen, da stecke ich dann lieber ab und an ein paar Ratschläge weg, die mich umtreiben.
Im Übrigen gilt das nicht nur für die Extremsituation Mutterschaft, es gilt auch für die Extremsituation vieler Berufssituationen mit enormer Arbeitslast, von der auch alle wissen, dass es unmenschlich ist, aber „irgendwie schafft man das ja.“ Aber das ist ein anderes Thema, wenn auch ein sehr verwandtes. Weiter im Text.
Erwartungen, Ansprüche und … Vorfreude!
Was mir persönlich sehr oft weh getan hat, sind Sätze, die ich vor Merle so wirklich eins zu eins auch gesagt habe, und die nun mir begegnet sind. Und bei denen ich das gefühl hatte nie wirklich verständnlich machen zu können, weshalb es eben doch einen enormen Unterschied macht, jetzt in der Situation mit Kind zu sein und erst jetzt zu begreifen, wie anders diese Sätze nun für mich sind.
„Das kann doch so nicht sein!“
„Das muss doch anders gehen!“
„Einfach ausprobieren!“
„Ich würde es einfach überall mit hin nehmen!“ und
„Das Kind kommt ja in dein Leben und nicht umgekehrt!“
Letztere zwei Sätze sind wirklich mein Standard gewesen, bevor Merle geboren wurde. Sie waren mein Leitspruch, so hatte ich mir ein Leben mit Baby vorgestellt. Klar anstrengender, aber letztlich ist es doch ein Baby, das kann ich doch mitnehmen. Was soll es denn machen? Weglaufen? „Es fällt doch nicht tot um, wenn XY!“ „Wir sind doch auch großgeworden ohne XY / mit XY!“ oder eine Nummer heftiger: „DU bist doch auch großgeworden ohne XY!“
Ich glaube tatsächlich auch immer noch, dass diese Sätze ihre Berechtigung haben. Nur nicht für jede Mutter und jedes Kind, nicht in jeder Situation, nicht in jedem Lebensalter. Differenzierter also. Für mich und Merle waren sie im ersten halben Jahr sehr weit weg von unserer Realität und erst jetzt – ich werde nicht müde zu betonen, wie sehr es sich gerade bessert! – erst jetzt sehe ich, dass sie für uns auch wahr und machbar werden können. Und ganz wichtig dabei: Nicht, weil ich es so sehr versucht hätte, sondern weil für Merle nun die Zeit reif ist. Sie hat diese Zeit gebraucht. Das war zwischendurch enorm schwer für mich auszuhalten. Aber jetzt bin ich froh, dass es so ist, wie es ist. Dass ich ihr nichts aufgezwungen habe. Und auch mir nicht. Dass ich die Sätze loslassen konnte, nachdem sie ja doch einmal wehgetan haben. Für mich war klar, dass sie nicht funktionieren. Genauso klar, wie ich JETZT sehe, dass sie in den Bereich des Machbaren kommen. Aber eben jetzt erst. Merle ist in anderen Bereichen super schnell: was das Essen angeht zum Beispiel. Was aber vergleichsweise unkomplizierte Aufenthalte woanders als daheim anging, hat sie länger gebraucht. Aber genauso wie ich sie ja auch nicht mit Brei stopfe, wenn sie es nicht möchte oder sie nicht allein schlafen lege oder sie zum Krabbeln zu drängen, genauso wenig wollte ich sie (und mich!!!) in Situationen bringen, für die wir noch nicht bereit waren. Ich sage „Wir“, denn es war natürlich ein großer Teil sie, aber eben auch ich. Ich hätte das erzwingen können. Aber das wollte ich nicht. Jetzt ist es ein Zeigen, kein Zwingen und wir beide haben Freude daran. Bis hier hin auszuharren, anzutesten und zu scheitern, das war nicht leicht.

Ich habe gelernt: Es muss gar nichts.
Ich reagiere sehr allergisch auf die Sätze mit dem auch groß werden trotz/mit XY, denn ein Kind wird auch groß, wenn man es beschimpft, misshandelt, schlechter ernährt und all die anderen kleinen Grauabstufungen dazwischen, bis zu dem, was vielleicht ideal wäre. Solche Sätze sind zu nah verwandt mit „Ein Ohrfeige hat noch niemandem geschadet!“ Eine Ansicht, die ich so mal wieder fast eins zu eins von Herbert Renz-Polster (Autor vom schon öfter erwähnten Kinder verstehen-Buch, siehe auch weiter unten) übernommen habe. Genauso aber auch wie seine Aussage: „Die Natur rechnet nicht mit perfekten Eltern!“ Fehler sind erlaubt und sogar mit eingeplant, wenn man denn von einem evolutionären Plan sprechen kann. Damit fahre ich gut, damit kann ich mein Bestes geben und mich wieder aufrichten, wenn ich es mal nicht geschafft habe, meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und ungeduldig war oder auch mal laut oder oder oder. Ich bin nicht perfekt. Aber ich werde jeden Tag ein bisschen besser. Für Merle und für mich. Für dieses Kind, das mich ansieht und mit seinem riesigen noch meist stillen Lachen sagt: „Hier bin ich! Begleite mich auf meinem Lebensweg!“ Und ganz bald, da wird es dann doch ein gemeinsames Gehen, auf dem wir uns beide begleiten, nicht mehr nur ich sie. Und so komme ich näher an „Das Kind kommt in dein Leben.“ Das „Und nicht umgekehrt“ ist gestrichen. Wir begleiten uns gegenseitig.
Frustration? Resignation? – Vertrauen!
Ich hatte auch einfach brutal unterschätzt, was das mit mir (uns) machen würde, wenn dieses Baby mit allem, was es hat, deutlich macht, dass es etwas anderes will und zwar nicht aus blankem „Ich will aber!“ (dafür ist sie noch zu klein), sondern aus einem echten Brauchen, einem Bedürfnis heraus. Was das bedeutet, zu sehen, wenn dieser kleine Mensch so schreit und das kein Schreien ist, bei dem man noch guten Gewissens sagen könnte: „Sie hat doch alles: Satt, sauber, warm, ich bin da, ob sie nun hier schreit oder daheim, das ist doch egal!“ Wer bin ich zu sagen: „Du hast keinen Grund zu weinen?“ Offensichtlich hat sie den, nur eben einen, der aus Erwachsenenperspektive nichtig erscheinen kann oder gar zu vernachlässigen, denn aus dieser Sicht heraus droht ja keine „echte“ Gefahr. Leid ist immer subjektiv. Bedürfnisse sind es generell. Ich habe früher immer gesagt (Oh Gott, was tut mir das Leid!), dass ein Kind ja auch lernen muss, dass sich die Welt nicht nur um es dreht, dass es Frustration lernen muss. Ja, muss es. Aber nicht als Säugling. Da lernt es nicht Frustration, sondern Resignation. Es lernt nicht, dass es manchmal warten muss und trotzdem alles gut ist, es lernt, dass seine Bedürfnisse nicht zuverlässig wahrgenommen werden, sondern nur mal so und mal so und das verunsichert. Das lernt es nicht von einem Mal, aber von wiederholten Situationen, in denen der Erwachsenenalltag auf das Kind gezwungen wird. Ich empfehle an der Stelle noch mal „artgerecht„, „geborgen wachsen“ und „Kinder verstehen„, denn das ist nichts, was ich mir grad aus dem eigenen Bauchgefühl heraus ausdenke, sondern was diese Bücher psychologisch gut begründet darlegen. Und was für mich absolut glaubwürdig ist.
Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Ich habe mich sehr oft gerechtfertigt und tue es noch, denn ich mag verstanden werden, vor allem von den mir nahe stehenden Menschen. Benedict und ich haben oft abends zusammengesessen, wenn Merle so richtig aufgedreht hat, und haben uns über den wild strampelden Geräuschpegel zugebrüllt „Lass uns doch mal wohin gehen! Wir nehmen unser Kind einfach überall hin mit!“ Das war eine Art Runninggag bei uns. Und das betrifft nun eine Situation, in der wir wirklich lachen können, weil Baby da einfach aufgekratzt und überdreht ist, aber nicht leidend.
Wie ich letztens so schön gelesen habe: „Erfolg ist nicht die Höhe des Berges, es sind die Hindernisse, die man auf dem Weg überwindet.“ So gesehen ist unser Babyberg kein Mount Everest, aber wir haben schon einige Eiger Nordwände bestiegen. Wer von stündlichem Stillen kommt, freut sich den sprichwörtlichen Ast, wenn es nur noch alle 2 Stunden sind. Wir kommen von 3-4 Stunden abendlichem Eiertanz mit oft 3h Gebrüll am Stück dabei. Da sind zwei Stunden Einschlaftragen und Dauersingen gar nicht so übel. Ich habe nicht den Anspruch oder die Erwartung, dass Merle jetzt schon durchschläft und sich ablegen lässt und allein in die Träume findet. Ich habe auch nicht die Erwartung, dass sie das woanders könnte. Aber: Ich freue mich darauf, wenn es mal soweit ist. Dann, wenn sie soweit ist. Denn zu sehen, wie unglaublich gut es ihr tut, dass sie die Zeit bekommt, die sie braucht, das ist es so wert. Zu sehen, wie unsere Kommunikation und unser Vertrauen profitiert. Unbezahlbar. Deshalb warte ich nicht mehr. Ich freue mich nur noch auf neue Meilensteine.

Und damit sind wir zurück bei der Einstellung
Sie ist und bleibt alles. Klar ärgere ich mich ab und an und mache mir dann auch Luft und ja, das ist dann Rumjammern. Ist nicht so toll, aber für den Moment ist es einfach das, was es ist. Klar ist auch meine Geduld endlich. Oder auch einfach die Kraft meines Rückens. Aber Merle hat mich in jeder Hinsicht hochtrainiert. Im Vergleich zu der Frau von vor 6-7 Monaten bin ich nun sehr viel ruhiger, nachsichtiger, geduldiger, gelassener und gleichzeitg viel stärker, disziplinierter, konsequenter und schneller. Und da geht noch mehr, denn ich kenne auch meine Schwächen nun besser denn je. Das ist auch etwas, was mir im Moment das Gefühl gibt wirklich erwachsen geworden zu sein. Denn ich bin es in aller Verantwortung und aller Disziplin und allen Pflichten, dabei wie ich finde sehr unlangweilig und mit icherheit nicht starr oder bieder. Ich stehe meinen inneren Werten so nah wie nie. Ich staune jeden Tag. Und lerne. Über Merle, über mich und über das Leben. Und noch nie habe ich so sehr daran geglaubt, dass der Mensch von sich aus gut ist, wie jetzt. Wenn man ihn lässt.
Vieles wollte ich in meinen Vorstellungen und Erwartungen an ein Leben mit Kind nicht zu meiner Wahrheit machen, wenn ich mich an meine noch schwangeren Gedanken zurück erinnere. Einiges konnte ich auch tatsächlich, sagen wir mal, „abwenden“. Ich esse immer noch gut, sportel (mit Merle zusammen, allein ist grad nicht), die Wohnung ist aufgeräumt, wenn auch oft total ungestaubsaugt, weil Merle den Sauger zum Fürchten findet. Ich kleide mich jeden Tag so gut ich kann, auch wenn meine Frisur schlicht unter „Haare aus Kinderreichweite!“ läuft und ich Pullover danach auswähle, dass ich gut mit ihnen stillen kann und Spuck- und Breiflecken nicht sofort auffallen (ich empfehle melierte Wollstoffe…). Und ich erkämpfe mir so gut ich kann meine Zeit für die Schreiberei. Meine Leidenschaften rund um Blog und Buch fehlen mir nach wie vor am meisten. Aber ich kann sie am Horizont sehen. So, wie ich vor ein paar Wochen auch das Aufstehenkönnen, wenn Baby schläft am Horizont sehen konnte und nun bin ich am Horizont angekommen.

Der Rückbildungskurs mit den Neugeborenen hat mir wieder gezeigt, was ich schon wusste: Ich bin nicht so die Säuglingsmama. Mit Neugeborenen kann ich nicht so wahnsinnig viel anfangen. Aber ich konnte es mit meinem Neugeborenenn und mein Verständnis und meine Faszination für das Wunder Leben, mein Respekt und mein Wunsch es zu schützen, haben sich vervielfacht. Ich denke oft an einen Kommentar von euch zu meinen Erwartungen an ein Leben mit Kind. Dass man nicht vergessen darf, dass es da nicht nur um Vorstellungen geht, wie man das Kind gut in das eigene Leben integriert bekommt und ihm seinen Raum gibt, sondern dass Mutterschaft und Elternschaft ganz viel mit Demut und Aufopferung zu tun hat. Oh, was wollte ich das nicht wahrhaben und wie habe ich die Aussage nicht verstanden und nicht verstehen wollen!
Jetzt verstehe ich sie. Es ist genau das, was diese bedingungslose Liebe zum Kind ausmacht. Zu geben. Be-ding-ungs-los. Jeden anderen Menschen hätte man schon längst in die Wüste geschickt für die Opfer, die er von einem verlangt. Aber das Kind nicht. Man liebt es im Lachen und Schreien, im Wachen und Schlafen. Man liebt es auch dann, wenn man sich wünscht, es wäre bitte fort, oder zumindest man selbst wäre gern woanders.
„Warum möchtest du Kinder?“, hat mich meine Mama gefragt, als wir über Zukunftspläne sprachen. Und ich sagte (unter anderem): „Weil ich mich darauf freue, ihm die Welt zu zeigen. Und weil ich neugierig bin auf dieses Gefühl, von dem alle reden, dass man keinen Menschen so sehr liebt, wie das eigene Kind. Ich möchte das auch empfinden. Ich stelle es mir vor, wie wenn man langsam in die Pubertät kommt und sich darauf freut, sich zu verlieben, weil das irgendwie schon klasse sein muss. Und dann passiert es einem und es haut einen einfach völlig um.“ Meine Mama mochte meine Antwort.
Und die Vorstellung trifft es. Man weiß vom Erzählen, dass es toll sein muss, man kann sich auch einfühlen und es sich sehr, sehr wünschen, aber die Liebe dann selbst zu erleben, lässt die Vorstellung davon zu einem Abziehbild veblassen. Es gibt keine Bedingung, die das Kind erfüllen muss, damit wir es lieben. Es reicht, dass es da ist. Wie es ist. In all seinem Nehmen gibt es diese wundervolle Erkenntnis um die Reinform von Liebe, die trotz des stimmigen Vergleichs wenig bis nichts mit der Verliebtheit und Liebe zwischen Paaren zu tun hat, sondern die so unerschütterlich ist, wie die Tatsache, dass es Schwerkraft gibt. Dafür bin ich dankbar. Und demütig. Dafür gebe ich. Dafür lerne ich.
Und, oh ja, dieses Wunder hatte ich so nicht erwartet.
Der Beitrag Wie ist das Leben mit Kind? – 6 Monate altes Baby erschien zuerst auf haselnussblond - healthy happy hair.